Endlich Ostern! Wir wünschen Ihnen ein frohes Fest und dass Sie es leibhaftig erfahren: Der Herr ist auferstanden! Wie wunderbar ist es, dass wir diesen Osterjubel in allen Straßen und Häusern hören können, dass er nicht mehr nur auf den Raum der Kirchen begrenzt ist, sondern in diesem Jahr buchstäblich (und notgedrungen) überall erklingt. Als Abschluss unserer Impulse in der Karwoche (und als Abschluss der Reihe unserer täglichen Impulse - dazu unten mehr) soll es Ostern um einen Menschen gehen, der seinerseits dafür gesorgt hat, dass der Jubel über Jesu Auferstehung in der ganzen Welt zu hören ist. Und das, obwohl er scheinbar selber gar nichts davon gesehen hat. Es geht um Paulus…
Oft höre ich in Gesprächen: An die Auferstehung kann man nicht glauben. Sie ist derart absurd, dass ein denkender Mensch im 21. Jahrhundert sich daran stoßen muss. Wenn schon, dann müsste man selbst dabei gewesen sein, denn schließlich gilt: „Ich glaube nur, was ich sehe“. Und wie hätte es dann vor sich gehen sollen, diese Auferstehung: Hätte Jesus im Grab gelegen mit einem toten, erkalteten Herzen, das auf einmal wieder zu schlagen begonnen hätte? Hätten Engel, tatsächlich Engel den Stein vor seinem Grab weggerollt und den Toten zu neuem Leben erweckt und herausgeholt? Hätte der, der eben noch vollkommen entkräftet am Kreuz sein Leben ausgehaucht hat, wie viele tausende in dieser schrecklichen Zeit ebenfalls, nun auf einmal mit einer heldischen Macht von innen seine Grabkammer gesprengt und wäre mit gewaltigem Auftritt herausgekommen?
Allesamt absurde Vorstellungen von der Auferstehung, wie ich finde. Aber deswegen ist die Vorstellung der Auferstehung noch keineswegs absurd! Denn in Wirklichkeit geht es gar nicht darum, dass ein Leichnam plötzlich wieder mit Leben gefüllt wird. Ja, Sie haben richtig gelesen… In Wirklichkeit geht es um viel mehr. Und für diese Behauptung habe ich zwei gewichtige Argumente. Das erste betrifft die Art von Leben, das der Auferstehung folgt. Jesus hat bereits zu Lebzeiten Tote auferweckt, Lazarus zum Beispiel. Aber die Erzählungen der Bibel lassen keinen Zweifel daran, dass dieser eines Tages wieder gestorben ist, nachdem sein totes Herz wieder zu schlagen begonnen hatte. Das Leben, wie wir es kennen, ist von Endlichkeit gekennzeichnet und eignet sich deshalb gerade nicht als Beschreibung für das, was wir mit Auferstehung meinen. Sonst hätte ja auch Jesus, nachdem er wieder zum Leben erweckt worden war, eines Tages erneut sterben müssen. Das aber ist von den biblischen Autoren nicht gemeint.
Zum anderen, und das finde ich wirklich erstaunlich, schweigen sich die Evangelien und die Briefe des Neuen Testaments genüsslich aus über den Vorgang der Auferstehung. Als Lesende wollen wir gerne genau wissen, was da passiert ist und wie es funktioniert haben soll. Und wir sind nach 2000 Jahren nicht die ersten, die dieses Bedürfnis verspüren. Aber ganz bewusst wird von dem Vorgang nicht berichtet. Er spielt nämlich an sich überhaupt keine Rolle. Wichtig ist für die Evangelisten und erst recht für Paulus nur das Ergebnis. Und das wird in den paulinischen Briefen überdeutlich: Während die Evangelien wenigstens noch von einem leeren Grab berichten, das als Beweis für die Auferstehung herhalten soll, ist dem „Apostel der Völker“ dieses leere Grab offensichtlich völlig egal.
Das große Kapitel von der Auferstehung schreibt Paulus in seinem 1. Korintherbrief in Kapitel 15. Dort heißt es:
1 Brüder und Schwestern, ich erinnere euch an die Gute Nachricht, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen; sie ist der Grund, auf dem ihr im Glauben steht. 2 Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie unverfälscht festhaltet – und zwar dem Wortlaut entsprechend, in dem ich sie euch übermittelt habe. Anderenfalls wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen! 3 Ich habe an euch weitergegeben, was ich selbst als Überlieferung empfangen habe, nämlich als Erstes und Grundlegendes: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, 4 und wurde begraben. Er ist am dritten Tag vom Tod auferweckt worden, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, 5 und hat sich Petrus gezeigt, danach dem ganzen Kreis der Zwölf. 6 Später sahen ihn über fünfhundert Brüder auf einmal; einige sind inzwischen gestorben, aber die meisten leben noch. 7 Dann erschien er Jakobus und schließlich allen Aposteln. 8 Ganz zuletzt ist er auch mir erschienen, der »Fehlgeburt«. 9 Ich bin der geringste unter den Aposteln, ich verdiene es überhaupt nicht, Apostel zu sein; denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. 10 Aber durch Gottes Gnade bin ich es dennoch geworden, und sein gnädiges Eingreifen ist nicht vergeblich gewesen. Ich habe viel mehr für die Gute Nachricht gearbeitet als alle anderen Apostel. Doch nicht mir habe ich das zuzuschreiben – die Gnade Gottes hat durch mich gewirkt. 11 Mit den anderen Aposteln bin ich in dieser Sache völlig einig. Wir alle verkünden die Gute Nachricht genau so, wie ich es gerade angeführt habe, und genau so habt ihr sie auch angenommen.
Wie spannend: Ein leeres Grab ist als Argumentationshilfe für Paulus uninteressant. Er stützt sich vollkommen darauf, dass Jesus vielen Menschen als Auferstandener erschienen und begegnet sei, von denen die meisten sich dazu auch befragen lassen würden – das Wichtigste aber ist, dass Jesus auch ihm selbst, Paulus, erschienen sei. Ein persönliches Erlebnis ist die unerschütterliche Grundlage seines Glaubens an die Auferstehung. Ob der Leichnam noch im Grab liegt oder nicht – man könnte fast meinen, für Paulus sei das egal. Denn was er selbst leibhaftig erfahren hat, das ist so stark gewesen, dass er dahinter nicht zurückkann.
Die Stärke des Arguments liegt übrigens gerade darin, dass Paulus nicht als Jünger mit Jesus unterwegs gewesen ist, sondern im Gegenteil die junge Christengemeinde zunächst als ketzerische Sekte verfolgt und ihre Anhänger getötet hat. Im sogenannten „Damaskus-Erlebnis“ (Apostelgeschichte 9) wird seine Beziehung zu Christus punktuell fassbar, und von da aus verändert sich sein ganzes Leben um 180 Grad. Zugleich ist das Argument so hilfreich und stark, weil es sich auf mich übertragen lässt: Nicht die auswendig gelernten Lehrsätze sind es, nicht das blinde Fürwahrhalten der biblischen Berichte ist es, was mich zum Christen macht, zu einem Menschen, der von der Auferstehung bewegt wird. Sondern das persönliche Erleben dieser Macht, die allem bis dahin sicher geglaubten diametral widersprechen kann und das Leben mitunter um 180 Grad verändert.
Das heißt: Um die Auferstehung zu feiern, brauche ich meinen Kopf nicht auszuschalten. Sondern ich darf anerkennen, dass es eine Kraft gibt, die das Leben gegen alle Wahrscheinlichkeiten aufblühen lässt – auch und gerade dort, wo nach menschlichen Maßstäben nur noch Scheitern und Tod zu erwarten sind.
Paulus hat das am eigenen Leib erfahren. Und Sie, und ihr? Auferstehung ist kein unglaubwürdiges, absurdes Mirakel. Es ist das Handeln Gottes im Hier und Jetzt. Und, damit wir uns richtig verstehen: Ich persönlich glaube sogar an das leere Grab. Es ist für mich das elegante „surplus“, das Gott sich und uns gönnt. Aber von Paulus habe ich gelernt, dass es nicht entscheidend ist. Der präzise Vorgang der Auferstehung? Darüber können wir zusammen mit den biblischen Autoren entspannt schweigen. Entscheidend ist das Ergebnis, und wer die Kraft dessen, der das Leben gegen alle Wahrscheinlichkeiten aufblühen lässt, in seinem eigenen Leben erfahren hat, der kann und muss dahinter nicht zurück.
„Christ ist erstanden“, mit diesem Osterlied (EG 99) feiern wir traditionell den Glauben an und das Vertrauen auf die Wahrheit der Auferstehung – auch in unserem eigenen Leben. Lasst es uns doch einfach gemeinsam singen (mitsingen geht hier), auch wenn wir uns in diesem Jahr zum Feiern nicht versammeln können:
Übrigens: Die Osterfreude erklingt in allen Straßen und Häusern – mitunter auch ohne Worte und Gesang. Während in den Wochen vor Ostern bereits unsere „#Vilbelei“ ganz hervorragend angenommen wurde (tote Steine werden bunt bemalt und verwandeln sich in Zeichen der Hoffnung, die in der ganzen Stadt und besonders im Kurpark ausgelegt werden), gibt es eine tolle Aktion für Ostern selbst. Menschen schreiben in einer Art „stillem Flashmob“ die frohe Botschaft überall auf den Boden: „Der Herr ist auferstanden!“
Wer es liest und keinen persönlichen Bezug hat, der mag gelassen darüber hinweggehen. Wer aber die Kraft der Auferstehung in seinem eigenen Leben bereits erfahren hat, der wird gewiss antworten: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Euch und Ihnen allen und Ihren Lieben wünsche ich von Herzen gesegnete und Frohe Ostern!
Ihr / Euer Pfr. Ingo Schütz
P.S.: Die "Täglichen Impulse" auf www.ckbv.de haben uns seit Mitte März begleitet. Mit dem Osterfest stellen wir sie auf einen wöchentlichen Rhythmus um. Immer Mittwochs wird es einen neuen Impuls geben, der uns als Gemeinde hilft, miteinander verbunden zu bleiben und geistlich zusammen unterwegs zu sein. Daran halten wir fest, genauso wie an den sonntäglichen Livestream-Gottesdiensten, bis wir uns wieder persönlich in den Kirchen treffen und das Leben, das Gott schenkt, miteinander feiern können.
P.P.S.: Wer beim Lesen des Lukas-Evangeliums mitmacht: Am heutigen Ostersonntag ist das letzte Kapitel, nämlich Kapitel 24 an der Reihe! :-)
Geistlich leben - jetzt erst recht: Das ist unsere Devise in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Während der Corona-Krise wollen wir nicht einfach nur alles absagen, sondern neue Wege eröffnen, wie wir unseren Glauben gemeinsam leben können, trotz des gebotenen Sicherheitsabstands. Dazu gehört auch der regelmäßige Impuls auf der Homepage. Die zurückliegenden Impulse finden Sie gesammelt unter https://www.ckbv.de/index.php/download/taeglicher-impuls. Weitere Infos entnehmen Sie bitte unserer Pressemitteilung: https://ckbv.de/index.php/veranstaltungshinweise/1785-aktuelle-mitteilung.