Zu Gast bei Freunden: Gottesdienste, Schulfeiern und örtliche Projekte
Delegationsreise von 38 Gemeindemitgliedern der Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde in der indischen Diözese Amritsar
Die Christuskirchen-Kulturfahrten führten in den vergangenen Jahren in alle möglichen Länder Europas und nach Israel. Im Herbst 2016 stand mit Indien eine sehr besondere Fahrt auf dem Programm. Sie war zugleich eine Partnerschaftsreise zu christlichen Freunden in der nordindischen Diözese Amritsar nahe der pakistanischen Grenze. Deutsches Gegenüber dieses Bistums der Nordindischen Kirche (CNI – Church of North India) sind die beiden Evangelischen Dekanate Wetterau und Gießen in der EKHN (Evangelische Kirche von Hessen und Nassau). Durch den früheren Bad Vilbeler Pfarrer Konrad Schulz wurde diese Verbindung bereits vor rund zehn Jahren in die Christuskirchengemeinde getragen und dort vom Gesprächs-Hauskreis des Pfarrers aufgenommen. Teil dieser Gruppe war und ist Dr. Reinhard Walter, der in den letzten Jahren mit vielfältigen Besuchen in Indien eine sehr persönliche Beziehung zu den dortigen Christen und ihrem Bischof P.K. Samantaroy aufgebaut hat. Im Kontakt dieser beiden wurde die aktuelle Reise geplant und durch Reinhard Walter mit großem Engagement vorbereitet.
Reinhard Walter: „In den vergangenen acht Jahren, in denen ich in Amritsar viele Freunde gefunden habe, lernte ich tiefes Gottvertrauen in kennen. Dies gilt auch für Menschen, die in schwer fassbarer Armut leben. Ich freue mich deshalb jedes Mal, wenn ich einige der ca. 500 Familien treffe, denen über Kleinstkredite aus unserer Gemeinde zu selbstbestimmten Leben zu verholfen wurde.“ Vor allem Reinhard Walter selbst ist zu verdanken, dass ein kirchlich getragenes Mikrokreditsystem für viele Menschen ohne Einkommen zur Startchance in ein selbstverantwortetes Leben geworden ist.
38 Mitglieder der Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde haben sich nun im Herbst 2016 auf den Weg nach Indien gemacht, um das dortige Leben und indische Kulturgüter kennen zu lernen und vor allem, um mit den dortigen christlichen Partnern zusammen zu kommen. Mit dabei war Ursel Raisig: „Am meisten beeindruckt hat mich die Gastfreundschaft unserer indischen Freunde, mit welcher Freude und Ehre wir empfangen und verwöhnt wurden.“ Tatsächlich wurde nicht nur das gesamte Programm von Christen der lokalen Gemeinden begleitet, auch Bischof Samantaroy selbst ließ es sich nicht nehmen, die deutschen Gäste selbst bereits am Flughafen abzuholen. In der Kathedrale der Diözese „Christ Church“ wurde ein gemeinsamer Gottesdienst gefeiert. Der Bad Vilbeler Pfarrer Dr. Klaus Neumeier wirkte ebenso mit wie der indische Gemeindepfarrer Vijay Kumar. Beide vereinbarten eine Partnerschaft ihrer Gemeinden, um die Dekanats- bzw. Diözesanpartnerschaft auf der kirchlichen Basisebene zu verankern.
Gemeinsam besucht wurden in der Umgebung der nordindischen Millionenstadt Amritsar mehrere Dörfer mit lokalen Projekten: Eine Schreinergenossenschaft, die mit Hilfe von Gerolf Stein aufgebaut worden war, die Basis-AIDS-Arbeit von Dr. Alma Ram, ein dörfliches Selbsthilfeprojekt nahe der pakistanischen Grenze und mehrere Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Dr. Andreas Hinkel ist selbst in Deutschland Kinderarzt und war begeistert vom AIDS-Projekt für HIV-positive Frauen, vom mother-child- and nutricion-project und von einer Initiative zum Schutz und zur Stärkung von Mädchen: „Wir hatten am Abend zusätzlich noch die Gelegenheit mit ihr ein intensives Gespräch zu führen und sind von ihrer Persönlichkeit und ihrem Engagement begeistert.“ Die besondere Wertschätzung der deutschen Gäste wurde auch bei den Besuchen in den gesellschaftlich hoch angesehen christlichen Schulen deutlich. Obwohl die Christen eine Minderheit von unter 2% sind, wirken sie intensiv in die sehr hierarchische und von großen Wohlstandsunterschieden geprägte indische Gesellschaft hinein. Mit Gedenktafeln eingeweiht wurden neben der Schreinerwerkstatt auch ein neues Pfarrhaus sowie Computer- und Klassenräume der Schule in Tarn Taran.
Ein besonderes Anliegen von Bischof Samantaroy sind Treffen, um gemeinsam in der Bibel zu lesen und ihre Bedeutung für das eigene Leben auszutauschen. Dr. Werner Betz ist Teil des hiesigen Gesprächskreises, der schon lange im Bibelaustausch mit indischen Freunden ist. Er war zum zweiten Mal in Nordindien und von der Bibelkenntnis der indischen Christen beeindruckt: „Ihre erstaunliche Fähigkeit aus der Bibel zu zitieren und der offenbar tief verwurzelte Glaube, dass Gott ständig unmittelbar in unser Leben hineinwirkt, habe ich bei uns selten so erlebt.“
Kulturell beeindruckend und schockierend war für die meisten deutschen Besucher das alltägliche indische Leben. Wie die meisten Reiseteilnehmer war auch der Vorsitzende des Bad Vilbeler Kirchenvorstandes, Werner Kristeller, zum ersten Mal in Indien gewesen: „Elend, Armut und Reichtum habe ich noch nie in einem solchen Gegensatz erlebt.“ Barbara Kamp vom Kulturfahrtenteam erinnert sich sehr konkret: „Ich habe auf Grünflächen, verkehrsumtosten Mittelstreifen, unter staubigen Brücken und auf Bordsteinkanten Menschen gesehen, die einfach ihren Beschäftigungen nachgingen: Zeitunglesen, nachdem die Nacht auf einem Stück Pappe verbracht wurde. Das kleine Kind sorgfältig einseifen und abspülen. Einem Kunden bei Solarbeleuchtung die Haare schneiden. Tee für die Nachmittagsspaziergänger zum Verkauf anbieten…“ Kirchenvorstand Judith Reitz ergänzt: „Es hat mich geschockt, amüsiert und überfordert, wie viele Busse, Autos, Tucktucks (dreirädrige Taxis und Transporter), Eselwagen, Fahrräder, Fußgänger, Kühe und sogar ein Elefant gleichzeitig auf der Straße scheinbar völlig chaotisch unterwegs waren.“ Tatsächlich haben die Reiseteilnehmenden den Verkehr besonders wahrgenommen. Peter Ochs: „Fasziniert hat mich der Straßenverkehr. Obwohl er anscheinend völlig chaotisch abläuft, scheint er doch zu funktionieren. Aber auch nur deshalb, weil sich alle gleich verhalten und vor allem auch zurückstecken, obwohl sie aus unserer Sicht im Recht gewesen wären.“
Natürlich wurden auch die weltbedeutenden Kulturgüter Nordindiens besucht: Der Goldene Tempel als höchstes Heiligtum der Sikhs in Amritsar selbst, der Palast des früheren indisch-britischen Vizekönigs in der Vor-Himalajaregion in Shimla, Moscheen, Tempel und Paläste in Delhi und der Taj Mahal in Agra. Unterwegs mit Bus und Bahn standen echte kulturelle Highlights auf dem Programm. Einige hatten im Vorfeld bereits die Weltkulturerbestätten in Jaipur besichtigt, andere verlängerten ihren Indienaufenthalt und genossen einige Badetage in Goa. Beate und Miriam Görtzen: „Es war für uns eine sehr eindrucksvolle und spannende Reise. Toll war die große Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, immer wurden wir herzlich begrüßt und mit offenen Armen empfangen.“
Für 2017 ist geplant, dass auf Einladung der EKHN eine nordindische Gruppe unter der Leitung von Bischof Samantaroy zum Reformationsjubiläum nach Deutschland kommen wird. Ebenso ist ein Besuch des Christ-Church Pfarrers Vijay Kumar in Bad Vilbel geplant. Am 8. Januar bereits wird die Reisegruppe um 10.30 Uhr im Gottesdienst in der Christuskirche sowie im Anschluss von der Indienfahrt berichten. Lutz Rosenkranz